Tourismus in Deutschland 2024: Aktuelle Entwicklungen und Trends

Von Januar bis Juli 2024 konnten deutsche Beherbergungsbetriebe insgesamt 280,5 Millionen Übernachtungen verzeichnen – ein Anstieg von 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auffällig ist das Wachstum bei den ausländischen Gästen, welches um 6,6 Prozent auf 48,2 Millionen anstieg. Die inländischen Gästezahlen wuchsen um 1,0 Prozent auf 232,3 Millionen Übernachtungen.

 

Dieser positive Trend wird sicherlich teilweise durch die veränderten Klimabedingungen begünstigt. Immer mehr Reisende ziehen es vor, heiße Sommerdestinationen zu meiden und entscheiden sich stattdessen für ein gemäßigteres Klima in Deutschland. Skandinavien liegt 2014 erstmals auf Platz 3 der beliebtesten internationalen Reiseziele der Deutschen – noch vor Türkei und Griechenland.

Reiselust der Deutschen 2024: Beliebte Reiseziele

Top 5 deutschlandweit 
Bayern (20,7 %)
, Schleswig-Holstein (19,4 %)
, Mecklenburg-Vorpommern (13,5 %), 
Niedersachsen (10,3 %)
, Baden-Württemberg(9,6 %)

Top 5 weltweit
 Deutschland (28,0 %), 
Spanien (8,4 %), 
Italien (8,2 %), 
Skandinavien (3,8 %)
, Türkei (3,5 %)
, Griechenland (2,8 %)

(Quelle: Deutscher Tourismusverband/Deutsche Tourismusanalyse)

Ferienhaus und -wohnungsmarkt bevorzugt: Ein wachsender Markt

Der deutsche Ferienhaus und -wohnungsmarkt erzielte im Jahr 2023 den beachtlichen Umsatz von 7,3 Milliarden Euro durch Mieteinnahmen. Insgesamt gab es laut destatis im selben Jahr 487,2 Millionen Gästeübernachtungen in Deutschland, von denen etwa jede zweite – also rund 250 Millionen Übernachtungen – nicht in Hotels, sondern in Ferienhäusern und -wohnungen stattfand.

Das größte Kontingent an Unterkünften gibt es mit 99.335 Ferienobjekten in Mecklenburg-Vorpommern, das damit vor Schleswig-Holstein mit 96.715 Unterkünften liegt. In den beiden Küstenländern ist auch der Anteil an privaten Ferienunterkünften mit 88 Prozent überdurchschnittlich hoch. Es folgt Bayern mit 91.974 Unterkünften.

Social Media als Inspirationsquelle

Die Buchung von Ferienwohnungen erfolgt zunehmend online. Social Media spielt dabei eine entscheidende Rolle: 69 Prozent der Befragten lassen sich über Plattformen wie Facebook, Instagram oder TikTok für ihre Urlaubsplanung inspirieren. Ferienwohnungen bieten dabei einen entscheidenden Vorteil: Sie erlauben Reisenden mehr Flexibilität und Unabhängigkeit im Vergleich zu traditionellen Hotels. Vor allem Familien schätzen die Möglichkeit, sich in einer voll ausgestatteten Küche selbst zu versorgen.


(Quelle: Deutscher Ferienhausverband)

Fazit: Der Ferienwohnungsmarkt in Deutschland wächst stetig

Laut einer Studie von Hilton planen 64 Prozent der Reisenden, einen zusätzlichen Teil ihrer Ersparnisse für Freizeitreisen auszugeben. Dies wird sich weiterhin positiv auf die Ferienvermietung auswirken, da eine zusätzliche Anzahl von Touristen sich dafür entscheiden wird, eine Ferienwohnung zu mieten.

Ferienwohnungen bieten die Freiheit, den Urlaub nach eigenen Wünschen zu gestalten. Das macht sie bei vielen Urlaubsgästen zu einer immer beliebteren Wahl, was sich auch im aktuellen Quarta – dem dritten in Folge – in den Übernachtungszahlen widerspiegelt. Marco Aust, der Leiter von Ostseetraum Ferienwohnungen, meldet von Januar bis Juli 2024 einen durchschnittlichen Zuwachs von 4,88 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

 

 

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Reiselust | Top 5 deutschlandweit

20,7 %

Bayern

19,4 %

Schleswig-Holstein

13,5 %

Mecklenburg-Vorpommern

10,3 %

Niedersachsen

9,6 %

Baden-Württemberg



Reiselust | Top 5 weltweit


28 %

Deutschland

8,4 %

Spanien

8,2 %

Italien

3,8 %

Skandinavien

3,5 %

Türkei

Ferienimmobilien in Mecklenburg-Vorpommern

Trendwende 2024? – Es wird wieder langfristiger und länger gebucht

Marco Aust, Leiter Ostseetraum Ferienwohnungen, zur Entwicklung der Ferienimmobilien in Mecklenburg-Vorpommern – und bei Ostseetraum.

Herr Aust, zunächst: Wie lief die Vermietung im vergangenen Jahr 2023?

Im Sommer 23 waren wir fast komplett ausgebucht, trotz des relativ schlechten Wetters. Anders als in früheren Jahren gab es aber mehr Lücken, die sich oft mit Spontanbuchern füllten. Auch der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern konnte beobachten, dass 2023 die langfristigen Buchungen zurückgingen und sich ein Trend zu kurzfristigen Urlauben abzeichnete.

Wie verlief das Jahr 2023 im Vergleich zu den Vorjahren?

Das Vorjahr 2022 war ein Rekordjahr für den Tourismus an der Ostsee und für uns. 31,8 Millionen Gästeübernachtungen zählte der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern. Es war das zweitbeste Ergebnis, das je erzielt wurde. Demgegenüber gingen die Buchungen 2023 um etwa 15 Prozent leicht zurück. In der Coronazeit 2020 und 21 entstand durch die Lockdowns ein Minus von bis zu 19,6 Prozent. Und das Vor-Corona-Jahr 2019 bleibt mit 34,1 Millionen Übernachtungen unübertroffen. Ich denke, die Spitzen und Ausreißer sind wenig aussagekräftig. Entscheidend sind die langfristigen Durchschnittswerte und hier zeigt sich seit 2005 eine kontinuierliche Steigerung.

Was hat das Jahr 2024 bis jetzt gebracht?

Die Übernachtungszahlen unserer Objekte zeigten in den ersten beiden Quartalen 2024 im Durchschnitt ein Plus von rund 5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im Sommer 2024 sind wir überwiegend ausgebucht und im Juni haben wir bei der Belegung sogar Rekordzahlen. Gleichzeitig beobachten wir, dass unsere Gäste den Urlaub wieder längerfristig planen und die Spontanbuchungen, etwa lange Wochenenden, zurückgehen. Die Aufenthaltsdauer hat sich im Schnitt um einen Tag gegenüber 2023 erhöht, von durchschnittlich sechs auf nun sieben Tage. Insgesamt zeichnet sich ein positiver Trend ab.

Wie optimieren Sie die Einnahmen aus der Ferienvermietung?

Als Betreiber können wir die Belegung zum einen über Spezialangebote und Arrangements, vor allem in der Nebensaison, steuern und zum anderen über Preiserhöhungen. Es ist allerdings so, dass wir nicht einfach pauschal die Preise anheben können, denn die Gäste sind grundsätzlich sehr preisbewusst. Da wir ohnehin Kostenanstiege, etwa bei den Serviceleistungen wie der Reinigung, an die Gäste weitergeben müssen, ist hier sehr differenziert vorzugehen. So können wir zum Beispiel punktuell die Preise von Ferienwohnungen in guten Lagen und mit sehr guter Auslastung hochsetzen. Außerdem heben wir behutsam Preise für Objekte an, die von den Eigentümern renoviert, neu möbliert oder in der Ausstattung aufgewertet werden. Unser Ziel ist es, die bereits im oberen Durchschnitt liegenden Belegungstage aus 2023 – ca. 170 Tage Auslastung – weiter zu erhöhen. Unser „Bester raum 2023“ erzielte übrigens 253 Tage.

Welche Objekte laufen besonders erfolgreich?

Ferienwohnungen mit Nähe zum Strand, mit Meerblick, optimalem Service und einer guten Ausstattung. Wir haben bei Ostseetraum viele solcher Objekte, vorwiegend bei den selbst errichteten Häusern. Am besten liefen zuletzt die Premium-Apartments und Ferienhäuser, in denen man sich auch als Gruppe mit separaten Schlafzimmern einquartieren kann. Positiv schneiden auch Häuser mit SPA- und Sauna-Angeboten ab, die gerade in der Nebensaison attraktiv sind.

Wie steht es um den Erwerb von Ferienimmobilien?

2023 war ein Jahr der Zurückhaltung, gerade im Vergleich zu den überhitzen Vorjahren. Seit der Zinswende geht es den Käufern weniger um die Kapitalanlage mit Cashflow als um Wertsicherung und Selbstnutzung der Immobilie. Zwar gibt es nun wieder mehr Bestandsobjekte im Angebot, aber viele Eigentümer wollen ihre Ferienimmobilien behalten und denken über eine Umnutzung als Erst- oder Zweitwohnsitz nach. Festzuhalten ist, dass die Preise für Ferienobjekte in den guten Lagen stabil geblieben sind.

Wie gehen die Eigentümer von Ostseetraum mit den Veränderungen um?

Viele freuen sich, dass sie vor zehn Jahren günstig gekauft und Wertzuwächse bis 110 Prozent realisiert haben. Sie werden jetzt nicht verkaufen. Und jene, die vor fünf Jahren gekauft haben, profitieren meist noch von günstigen Finanzierungen.

Welche Renditen lassen sich erzielen?

Renditen um drei Prozent sind wieder Standard. Die Spitzenrenditen von vier bis sechs Prozent aus den Vorjahren waren weitgehend übersteigert. Insofern sehen wir hier eine Kurskorrektur.

Ist es sinnvoll, jetzt zu kaufen?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Feststeht, dass es immer weniger Angebote gibt, besonders im Neubau. Auch die guten Grundstücke sind rar geworden und viele Gemeinden wollen keine Tourismusapartments mehr genehmigen. Wer allerdings jetzt oder demnächst ein Neubau-Objekt kaufen kann, hat die Chance, sich langfristig gegen die Inflation und staatlich verlangte Nachrüstungen am Gebäude zu schützen. Die gestiegenen Kaufpreise werden zudem durch höhere Mieteinnahmen weitgehend ausgeglichen. Insofern gilt: Wohn- wie Ferienimmobilien sind als langfristige Anlage weiterhin sinnvoll.

[ Juli 2024 ]

 

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Marco Aust, Leiter Ostseetraum Ferienwohnungen

 

Jens Wilden,
Chefredaktion raum.

  

Das Jahr 2023 ist zweitbestes Tourismusjahr für Mecklenburg-Vorpommern

Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2006 - 2023

   

Das Jahr 2024 mit einem Plus von rund 5% gegenüber dem Vorjahreszeitraum für Ostseetraum

Übernachtungen bei Ostseetraum des ersten Halbjahres 2024 im Vergleich zu den Vorjahren

   

„Ferienimmobilien seit jeher stabil“

... so heißt es oft, aber was steckt dahinter? Inwiefern sind Ferien­immobilien als Wertobjekte über die Zeit stabil gewesen, was passierte während der Wirtschaftskrisen oder Weltkriege? Wir haben Dr. Wolf Karge gefragt, Historiker und Experte für die Entwicklung des Tourismus an der Ostsee.


1929 – die Seebrücke von Kühlungsborn wurde nach endgültiger Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erst 1991 wieder aufgebaut. © historische-bilder.com

Herr Dr. Karge, wie hat es angefangen, seit wann gibt es Ferienimmobilien an der Ostsee?

Das Ferienleben ist seit der Industrialisierung ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft. An der Ostsee begann es schon um ca. 1800, hat sich aber erst ab 1880 professionalisiert. Etwa ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stiegen die Zahlen der Badegäste stark an. Das lag am wirtschaftlichen Aufschwung und der neuen Sozialgesetzgebung, die es auch den kleineren Leuten und Angestellten erlaubte, Urlaub zu nehmen. Die „Gründerjahre“ waren für viele eine Wohlstandszeit, in der ein neuer Wirtschaftszweig, die Ferienvermietung, entstand. Überall wurden jetzt die ersten Fremdenverkehrsvereine gegründet.

Dann kam der Erste Weltkrieg. Was geschah mit den Hotels, Pensionen und Zimmervermietungen?

Interessanterweise nicht viel: Das Badeleben ist nicht eingebrochen. Das lag vor allem daran, dass der Erste Weltkrieg nicht auf deutschem Boden stattfand. Das Leben in Deutschland ging einfach weiter, auch beim Tourismus. Nur direkt nach Kriegsausbruch gab es eine Zäsur. Der eigentliche Einbruch kam erst nach dem Krieg, weil schlicht kein Geld mehr da war. Die Immobilien wurden nun teils verkauft, meist aber einfach von den Privateigentümern weitergeführt. Denn auch in diesen Zeiten brauchte man die Ferienimmobilien, etwa, indem man sie in Kindererholungsheime umfunktionierte, später für Kriegsversehrte und Kranke. Viele Menschen litten unter Tuberkulose. Die meisten Ferienvermieter haben sich so über Wasser halten können, und schon um 1920 startete das Badeleben erneut.

Und während der nachfolgenden Inflation und Wirtschaftskrise?

Durch die Hyperinflation 1923 wurde einiges durcheinandergebracht. Gerade etliche jener Gastgewerbe, die eigentlich insolvent waren und hohe Hypothekenlasten hatten, konnten sich nun sanieren. Aber auch dies war nur eine vorübergehende Phase von ca. 12, teils 24 Monaten, die den Ferienbetrieb nicht lange zurückwerfen konnte. Während der Weltwirtschaftskrise ab 1929 bis etwa 1936 wirkte sich die hohe Arbeitslosigkeit zwar auf den Urlaubstourismus aus, ein schwerer Einbruch lässt sich aber nicht feststellen.

Wie kam es zur nächsten Veränderung?

Mit dem Zweiten Weltkrieg und politischen Maßnahmen. Beides führte dazu, dass das Badeleben vollständig zusammenbrach und durch Naziorganisationen wie KDF – „Kraft durch Freude“ – übernommen wurde. Vieles hat man umgenutzt wie Heiligendamm, das zur Kriegsmarineschule wurde. Andere Ob­jekte dienten als Erholungsheime im Sinne
einer „Massen-Regenerationsmaschinerie“. Einige Fe­rienbetriebe bestanden weiter, wurden aber komplett von Nazi-Organisationen gebucht. Diese Betriebe sind weder pleite gegangen noch enteignet worden.

Was geschah in DDR-Zeiten?

Nach dem verlorenen Krieg sind die meisten Ferienimmobilien wieder an ihre Besitzer zurückgegeben worden. Damit blieb die private Vermietungsstruktur zunächst erhalten – bis der DDR-Staat 1953 die „Aktion Rose“ initiierte, durch die die private Hotellerie und Gastronomie entlang der Küste systematisch enteignet wurden. Unter fadenscheinigen Begründungen: etwa, weil man eine Zuckertüte zu viel im Haushaltslager gefunden hatte. Eigentümer wurden inhaftiert, einige entlassen, viele wanderten in den Westen ab. In der Zwischenzeit hatte der FDGB-Feriendienst fast alle Objekte übernommen. Trotzdem gab es weiterhin auch private Vermietungen: Man machte in der Sommersaison Platz für die Gäste und bot, so ein geflügeltes Wort dieser Zeit, „Hühnerställe mit Gardinen“.

Und nach der Wende?

Sämtliche Ferienobjekte, die durch die „Aktion Rose“ enteignet worden waren, sind zurückgegeben worden. Und seit Anfang der 90er-Jahre sind die Gästezahlen immer weiter angewachsen bis zum heutigen Boom. Insofern kann man feststellen, dass die Tourismuswirtschaft – trotz Rückschlägen – seit ihren Anfängen stetig gewachsen ist. Auch unter Corona haben viele Eigentümer die weniger lukrativen Zeiten genutzt, um ihre Ferienobjekte für die Zukunft zu modernisieren. Bereits im Sommer 2021 erzielten die Gästezahlen wieder neue Rekordwerte. Die Sehnsucht nach Erholung ist eben ungebrochen.

 

 

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Dr. Wolf Karge, Historiker & Publizist © Dr. Wolf Karge

ist Historiker & Publizist. Er war lange Zeit Mitglied und Sprecher im Kulturbeirat des Ministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern. Heute ist er Experte für die Geschichte des Landes. Er war Lehrbeauftragter an den Universitäten Rostock und Lüneburg und Berater der Europäischen Kommission für Kulturprojekte. Er ist Ehrenvorsitzender des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern.



1830 - Heiligendamm, der älteste Seebadeort Deutschlands und Kontinentaleuropas, bereits 1793 erfolgte die Gründung. © istockphoto/malerapaso

 


1920 – Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist der Strandkorb in deutschen Seebädern populär. © imageBROKER/ Alamy Stock Photo

 


1920er – Badenixen kommen auf – und damit das moderne Badeleben. Bis zum Ersten Weltkrieg badeten die Damen noch separiert und mit viel Stoff. © KGPA Ltd/Alamy Stock Photo

 


1929 – die Seebrücke von Kühlungsborn wurde nach endgültiger Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erst 1991 wieder aufgebaut. © historische-bilder.com

 


1933 – Das ehemalige Hotel Kasch in Niendorf / Timmendorfer Strand, heute steht dort ein neues Gebäude. © Gemeindearchiv Timmendorfer Strand

 


1960 – Familienurlaub im Seebad Heiligendamm. © historische-bilder.com

 

Wie geht es weiter am Immobilienmarkt?

Der Immobilienmarkt hat sich spätestens seit der Zinswende 2022 verändert. Was sind die aktuellen Herausforderungen, welche Chancen bieten sich und wie könnte es weitergehen? von Knud Wilden, Geschäftsführer W&N

Wir brauchen mehr Wohnraum. So sieht es auch die Politik, doch zugleich erschwert sie das Kaufen, Mieten und Bauen. Zunehmend hängt die wirtschaftliche Entwicklung vom politischen Einwirken in den Markt ab: das Heizungsgesetz, die Verschärfung des Gebäudeenergiegesetztes (GEG), komplexe Auflagen und viel Bürokratie. Zinsanstieg und EU-Vorgaben bremsen die Dynamik oder wirken sich wie die Agenda „Fit for 55“ eher negativ aus. Demnach könnten Gebäude der Effizienzklassen G und H, oft aus den 50er- bis 70er-Jahre, ab 2030 nicht mehr vermietet werden dürfen, sofern sie nicht nachhaltig saniert sind. Die Wohnungskrise würde sich damit weiter zuspitzten.

 

Bau & Bürokratie

Die von der Politik angestrebten 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr werden künftig nicht errichtet werden können. Das zeigt sich auch am Rückgang der Baugenehmigungen. Nach bereits rückläufigen Zahlen im Jahr 2022 zeigte sich gemäß Statistischem Bundesamt (Destatis) im ersten Halbjahr 2023 ein Minus von 50.600 Baugenehmigungen, -27,2 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum.  Laut ifo-Institut (Juni 2023) wurden für das Jahr 2023 ca. 245.000 Neubauwohnungen erwartet, im Jahr 2024 sollen es etwa 210.000 werden.
Hauptproblem sind hier weniger die hohen Material- und Grundstückspreise als die anwachsenden Bauvorschriften. Ein Bauantrag sollte beispielsweise innerhalb von drei Monaten vergeben sein, doch wartet man als Bauherr meist neun Monate darauf, in Großstädten wie Berlin auch länger. Kleinere Gemeinden verzögern die Genehmigungen mit vielerlei Nachweisforderungen, wenn für den geplanten Zuzug keine Infrastruktur wie Schulen, Kitas, Arztpraxen etc. vorhanden ist.

 

Chancen von Alt- und Neubau

Doch auch in herausfordernden Zeiten bieten sich Chancen. Sie ergaben sich bereits 2022 nach der Zinswende bei den älteren Gebäuden, deren Kaufpreise innerhalb eines Jahres um bis zu 6,8 % fielen (Destatis). Anders beim Neubau. Hier sind die Preise mit den Baukosten weiter angestiegen – laut Destatis im Mai 2023 gegenüber Mai 2022 um 8,8 %. In diesem Zeitraum erhöhten sich die Preise für Rohbauarbeiten bei Wohngebäuden um 5,4 %, bei den Ausbauarbeiten um 11,7 % und bei technischen Gebäudeausrüstungen, also Heizanlagen und zentralen Wassererwärmungsanlagen, um 14,9 %. Auch angesichts sensibler Lieferketten und Personalmangel wird der Neubau nicht günstiger, bietet dafür aber langfristige Investitionschancen durch eine sehr hohe Bauqualität und eine kosteneffiziente Energieversorgung. Energetische Anforderungen können von Anfang an integriert und ökonomisch umgesetzt werden. Will man möglichst sicher investieren, lohnt der Neubau mehr denn je. Ein 40- oder 50-jähriger Altbau dagegen bleibt, selbst wenn er saniert ist, in seiner Substanz ein Altbau.

 

Investitionen fördern

Einzelmaßnahmen wie das neue Heizungsgesetz, die Besteuerung bestimmter Produkte und Materialien oder die zahlreichen KfW-Vorschriften und Subventionen sind entweder gar nicht oder nur bedingt zielführend. Es müssten vielmehr Anreize gesetzt werden, die zusammenwirken, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Das heißt, es braucht ein schlüssiges Gesamtkonzept. Dies sehen wir aber derzeit nicht, weder bei der CO2-Bilanz noch im Wohnungsbau.
Ziel muss es sein, anstelle von Maßnahmen Investitionen zu fördern. Denn nur die Investition bringt Gewinn in das System zurück. Dass dies auch bei der politischen Wohnungsbauförderung wirksam sein kann, haben die 70er Jahre bewiesen. Damals konnten Bauwillige ihre Investition degressiv abschreiben, und im sozialen Wohnungsbau erhielten Bauträger große Zuschüsse, wenn sie dem Staat im Gegenzug die Wohnungen für mindestens 12 Jahre überließen.
Darüber hinaus müssten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anders definiert und die Vorgaben allgemeiner formuliert werden, damit flexibler und lösungsorientierter gearbeitet werden kann. Verbote etwa für Produkte braucht es damit nicht. Gas und Öl etwa haben beim Heizen ohnehin auf Dauer keine Zukunft, während sich Solar-, Wind- und Geotechnologien kombiniert in weiten Teilen schon effektiv einsetzen lassen.

 

Zinsberuhigung ab 2024 erwartet

Nach den niedrig gehaltenen Zinsen der letzten zehn Jahre, die – einmalig in der Geschichte – zu Negativzinsen führten, hat die EZB, um die Inflation einzugrenzen, den Leitzins 2022 wieder angehoben. Daraus folgte, dass die Immobilienfinanzierung auf über 4,5 % anstieg und für viele kaum mehr erschwinglich war. Hinzu kam, dass sich die Käufer auf die schnellen Zinsschritte mit 400 Basispunkten innerhalb von 18 Monaten nicht einstellen konnten. Analysten des Beratungskonzerns Colliers gehen jedoch davon aus, dass sich der Markt, wenn die Zinserhöhungen abgeschlossen sind, schon im Verlauf von 2024 beruhigt und wieder deutlich mehr investiert wird.

 

Fazit

Der Staat sollte weniger reglementieren und die Ziele pragmatisch angehen. Statt vieler teurer Maßnahmen braucht es zuallererst marktfreundliche Rahmenbedingungen, damit sich das Investieren in Wohnen wieder lohnt, d. h. weniger Vorschriften und Bürokratie sowie allgemeiner formulierte Vorgaben. Als Zweites müsste die Politik wieder mehr auf die Fachleute und die mittelständische Wirtschaft hören, die das technische und ökonomische Know-how mitbringen, um die richtigen Maßnahmen im Wohnungsbau umzusetzen. Drittens müsste wieder anerkannt werden, dass eine die Gesellschaft tragende Wirtschaft nur durch gewinnbringende Investitionen entsteht – oder man macht eine „Spaßveranstaltung“ ohne Gewinnabsicht daraus, die kaum Substanzielles hervorbringt und somit dauerhaft keinen Bestand hat. Auch wird der Mangel an Wohnraum nicht dadurch behoben, dass man diejenigen, die das Problem lösen könnten und wollen wie die privaten Immobilieninvestoren oder Vermieter aus politischem Kalkül als „Nutznießer“ der Wohnungsnot anprangert.

[ November 2023 ]

Knud Wilden

Geschäftsführer W&N am Hauptsitz Dachau bei München und Warnemünde. Spezialisiert auf Wohn- und Ferienimmobilien, baute er das Geschäftsfeld an der Ostsee auf und beteiligt sich heute an der erfolgreichen Entwicklung ganzer Tourismus-Standorte.

 

 

Weitere Stimmen:

Finanzierungstipp


Petra Lindo, Filialleiterin © Hüttig & Rompf AG, Berlin (Finanzierungsberatung)

––––– „Der Erwerb einer Immobilie ist weiterhin attraktiv. Bei der aktuell volatilen Zinssituation ist jedoch die Expertise eines unabhängigen Finanzierungsberaters unerlässlich, da er Angebote und Modelle zahlreicher Banken kennt und die individuell besten ermittelt. Bewährt sind flexible Tilgungsraten mit Wechseloption während der Zinsbindung. Der Tilgungssatz, der zwischen 1 und 10 % liegen kann, wird bedarfsgerecht, oft zwischen 1,5 und 2 %, angepasst. Auch eine gleichbleibende Monatsrate ist justierbar. Zu beachten ist, dass sich bei einer Änderung die Gesamtlaufzeit verkürzt oder verlängert. Die langfristige Zinsbindung kann z. B. über Bausparen abgesichert werden.“
–––––