Im Gespräch...
Immobilienfinanzierung in Zeiten des Zinsanstiegs
Hans-Joachim Hohlweg (W&N) diskutiert die Lage mit dem Finanzexperten Andreas Kaatz, Bankshop Deutschland.
Hans-Joachim Hohlweg Herr Kaatz, im 1. Quartal 2022 haben sich die Bauzinsen erhöht und die Anhebung des Leitzinses vorweggenommen. Lagen sie zuvor bei 0,5 bis 1,5 %, erhöhten sie sich zunächst auf 2,3 bis 3 %. Einen solchen Anstieg hat es lange nicht gegeben und auch nicht in so kurzer Zeit.
Andreas Kaatz Richtig, allerdings ist ein solcher Zinssatz für eine Baufinanzierung immer noch gering, bereits 2005 lag er bei ca. 3,5 bis 4 %, 1980 bei 9,5 % und in den 90er-Jahren bei um die 7 %. Insofern ist all das nichts Ungewöhnliches.
HJH Sicher, aber angewandt auf eine Kreditlaufzeit von 10 Jahren kann das durchaus einen Unterschied von mehreren Tausend Euro ergeben.
AK Natürlich ist die Situation heute eine andere: Die Kaufpreise sind hoch und wir haben eine starke Inflation. Deshalb sollte man gut überlegen, wie man bei neuen oder laufenden Finanzierungen vorgeht.
HJH Einige unserer Kunden haben mit Forward-Krediten gearbeitet. Dazu haben sie den Vertragsabschluss für die Anschlussfinanzierung vorgezogen – zu den aktuell geltenden, immer noch sehr günstigen Zinssätzen.
AK Das ist eine gute Strategie. Man kann aber auch die Monatsrate insgesamt herabsetzen und die Laufzeit verlängern. Oder man senkt die Tilgungsrate und passt den Zinsanteil an. Das ist allerdings eher eine Übergangslösung, ebenso wie das Aussetzen der Zahlungsrate. Wichtig ist generell bei den Kreditverträgen, Sondertilgungen nutzen zu können oder den Tilgungssatz zu wechseln. Einige haben im ersten Halbjahr 2022 bei den Anschlussfinanzierungen auf kürzere Tilgungszeiten von fünf Jahren zugunsten niedrigerer Zinsen gesetzt. Das lohnt sich aber kaum und ist für die meisten keine gute Lösung. Besser ist bei perspektivischen Investitionen stets, einen festverzinsten Langzeitkredit zu wählen – auch wenn dieser deutlich teurer ist.
HJH Ja, das ist sicherer. Eine weitere Finanzierungshilfe bietet der klassische Bausparvertrag. Das ist vor allem bei Neufinanzierungen interessant.
AK Richtig, seit die Niedrigzinsphase sich dem Ende zuneigt, wird er wieder attraktiv, besonders als Bauspar-Sofortfinanzierung. Dabei kombiniert der Anbieter zwei Finanzierungsformen: Darlehens- und Bausparvertrag.
HJH Man hat damit zwar zwei Verträge gleichzeitig zu beachten, aber der große Vorteil ist, dass über den Bausparvertrag eine kostengünstige Finanzierung möglich ist und vor allem von Anfang an der Zinssatz für die Resttilgung festgesetzt werden kann. Ist die Mindestdauer nach 10–15 Jahren abgelaufen – je nach Vereinbarung sind dann 30 bis 50 % angespart – wird das Darlehen mit dieser Summe weiter getilgt. Dadurch sinkt auch die Zinsrate.
AK Ja, und die Anschlussfinanzierung läuft gemäß dem anfangs vereinbarten Zinssatz.
HJH Um so etwas realistisch zu kalkulieren, sollte man den Finanzierer vor allem nach dem Gesamt-Effektivzins fragen, weil hier alle Kosten berücksichtigt sind – wie Abschlusskosten des Vertrags oder Effekte der Zins- und Tilgungsverrechnung.
AK Fazit ist, dass es viele Wege gibt, mit der aktuellen, sehr dynamischen wirtschaftlichen Lage umzugehen. Und wie es aussieht, werden Nachfrage und Preise bei Wohnimmobilien in den nächsten Jahren, speziell beim Neubau, nicht maßgeblich sinken.
HJH Vor allem braucht es beim Immobilienkauf eine fachgerechte Analyse der individuellen Möglichkeiten und Ziele. Denn auch, wenn in letzter Zeit sehr viel Unvorhersehbares passiert ist, können Immobilien immer ein guter Inflationsschutz sein.
Ein Indikator, ob die Zinsen für Baukredite sinken oder steigen, sind die Zinsbewegungen der Pfandbriefe, mit denen die Banken Immobilienkredite refinanzieren.
Kündigt sich an, dass der Leitzins erhöht wird, steigen auch die Zinsen für Pfandbriefe, die sich ihrerseits an den gestiegenen Renditeanforderungen der Anleihe-Investoren orientieren.
So hatte die Europäische Zentralbank (EZB) frühzeitig angezeigt, dass sie ihre Anleihen-Kaufprogramme stoppen und nur noch Gelder aus fällig werdenden Anleihen investieren würde. Im Juli 2022 hob sie den Leitzins an und leitete damit eine langfristigere „Zinswende“ ein, die ein Umdenken bei den Investments erfordert.
Tipps & Optionen
1 | Tilgungsrate senken zugunsten des Zinsanteils: eher Übergangsinstrument |
2 | Monatsrate senken oder anfängliche Tilgung herabsetzen |
3 | Monatsrate aussetzen (vorübergehend) |
4 | Tilgungssatz wechseln und Sondertilgungen nutzen |
5 | Forward-Kredit: frühzeitig günstige Konditionen sichern |
6 | Bauspar-Sofortvertrag mit Darlehen abschließen |
7 | 20–30 Jahre festverzinste Laufzeit |
8 | Umfassend von Finanzierungsexperten beraten lassen |
9 | Gesamt-Effektivzins der Anbieter erfragen |
Hans-Joachim Hohlweg
Ehem. Leiter Vertrieb Ostsee
Andreas Kaatz
Finanzexperte, Bankshop Deutschland
Erfolgskurs für Mikro-Apartments?
Mikro-Apartments sind aus dem Studentenwohnen entstanden und haben sich in den letzten 10 Jahren zu einer erfolgreichen Anlage- und Wohnform entwickelt. Die Nachfrage nach kleinen, optimiert geschnittenen Wohnungen ist durch die zunehmenden 1- und 2-Personenhaushalte sowie steigende Mietpreise groß.
Lena Schwesinger, Expertin von bulwiengesa, erläutert das noch junge Asset der Mirko-Apartments auf Basis aktueller Markdaten der „Initiative Micro-Living“.
Frau Schwesinger, Mikro-Apartments sind für Anleger interessant geworden, weshalb?
Weil sie einen recht guten Cashflow ermöglichen und sich in den letzten Jahren weitgehend krisenresilient gezeigt haben. So kann bei Marktveränderungen wie steigenden Energiepreisen schneller reagiert werden, da die Objekte tendenziell, je nach Konzept, eine etwas höhere Fluktuation haben als im klassischen Wohnungsbau. Dadurch lassen sich auch die Mieten häufiger anpassten.
Was sind die typischen Wohnungsgrößen und wer sind die Mieter?
Bei den Mitgliedsunternehmen der ‚Initiative Micro-Living‘ variieren die Wohnungsgrößen für Mikro-Apartments zwischen 18 und 25 m². Es gibt aber auch viele Modelle mit größeren Einheiten zwischen ca. 30 und 40 m². Das Angebot der kleinen Einheiten (rund 18 bis 20 m²) wird primär von Studierenden genutzt. Die größeren Apartments sind meist von sehr zahlungskräftigen Zielgruppen nachgefragt wie den sogenannten Young Professionals, Berufspendlern, Mitarbeitern oder Beratern, die temporär vor Ort sind, aber auch von vielen Singles. Die Gruppe der ‚Nichtstudierenden‘ stellt inzwischen den größten Anteil bei der Vermietung. Neben diesen Wohnmodellen gibt es auch noch das Serviced-Apartment-Haus, das vorwiegend von Business-Gästen bis zu sechs Monate genutzt und ähnlich wie ein Aparthotel betrieben wird.
Wie setzen sich die Mieten im Micro-Living zusammen?
Meist werden All-In-Mieten ausgewiesen, die Nettokaltmiete, Betriebskosten und Nebenkosten, also Gas, Strom, Internet, Hausmeister oder ähnliches, beinhalten. Dazu wird in der Regel ein Aufschlag für die Möblierung kalkuliert. Die Mietspanne reicht damit von rund 350 bis 1.600 Euro pro Monat, je nach Objektqualität und -größe, Lage und Baujahr des Apartmenthauses. Durchschnittsmieten liegen bei rund 600 Euro pro Monat. Die höchsten Mieten werden in den sieben A-Städten erzielt.
Welche Renditen werden erreicht?
Die aktuellen Entwicklungen seit der Zinswende machen verbindliche Angaben schwierig. Analog zu vergleichbaren Assetklassen gehen wir als bulwiengesa jedoch davon aus, dass die Spitzenrenditen zwischen 4,5 % und 5,5 % liegen. Allerdings kann der Transaktionsmarkt, solange er stagniert, keine Evidenz dafür liefern.
Mikro-Apartmenthäuser werden meist von einem Globalinvestor erworben. Dabei gibt es Objekte mit und ohne Betreiber. Wie unterscheiden sich diese konkret?
Ohne Betreiber muss sich der Eigentümer um diese Aufgaben selbst kümmern. Apartmenthäuser, die von Betreibern geführt werden, zeichnen sich durch eine höhere Anzahl der Apartments – meist Häuser ab ca. 60 Einheiten – und umfassende Ausstattungs- und Serviceleistungen eines Betreibers aus. Der Betreiber kümmert sich um alle Aufgaben, die rund um die Vermietung und Instandhaltung eines Apartmenthauses anfallen. Oftmals bringen Betreiber ein eigenes Branding mit in das Apartmenthaus, was sich in der Regel positiv auf das Marketing und die Erzielung von Skaleneffekten auswirkt. Die Langfristigkeit des Betreibervertrags garantiert, dass der Investor in der Regel mit einer stabilen Mietertragssituation rechnen kann.
Wie funktioniert das Konzept für Erwerber von Einzelapartments?
Analog zum Erwerb von Wohnungseigentum eines Mietshauses, das als Kaitalanlage gekauft wird. Dabei nimmt der Eigentümer die Objektbetreuung selbst in die Hand. Sofern zusätzlich ein Betreibervertrag vorliegt, muss man sich als Kapitalanleger nur um sehr wenige Aufgaben selbst kümmern und kann den Großteil der Verantwortung für Vermietung und Instandhaltung an den professionellen Betreiber abgeben. Dafür erhält dieser eine Vergütung, welche die Rendite des Kapitalanlegers zwar schmälert, dafür aber auch mehr Sicherheit im Property Management bietet. Für Einzelerwerber sind die kompakten Mikro-Apartments insofern interessant, als sie zu einem am Wohnungsmarkt vergleichsweise niedrigen Gesamtpreis erworben werden können.
Wie ist das Asset durch die Krisen gekommen?
Die Auslastungsquote in der Pandemie war weiterhin hoch und lag zu keiner Zeit unter 85 %. Das spiegelt die Krisenresilienz der Assetklasse deutlich wider. Während aber die Nachfrage weiterwächst, geht durch die steigenden Baukosten und das hohe Zinsniveau die Bautätigkeit zurück und erhöht zusätzlich den Nachfragedruck bei Bestands- und bezugsfertigen Neubauten.
Welche Chancen bieten die Serviced Apartments für die Zukunft?
Trotz der etwas größeren Mieterfluktuation ist der Leerstand in den Häusern gering und Anleger können höhere Quadratmeterpreise durchsetzen, da bei Neubauten und möblierten Einheiten weder der Mietenspiegel noch die Mietpreisbremse greifen.
[ September 2023 ]
Lena Schwesinger
M. Sc. Geographie, ist Beraterin der bulwiengesa AG, Consultant Residential/Micro-Living im Bereich Research & Data Science, in Hamburg und arbeitet an dem halbjährlich erscheinenden Marktreport der Initiative Micro-Living mit. – bulwiengesa ist ein spezialisiertes Beratungs- und Analyseunternehmen für die Immobilienwirtschaft.
Vermietung besser als je zuvor
Die Vermieterseite bei den Mirko-Apartments ist sehr positiv zu bewerten und besser als je zuvor. Nach einem leichten Rückgang 2021 stiegen die Mieten etwa im Frühjahr 2023 von 490 Euro/Monat auf rund 590 Euro/Monat an. Die hohe Nachfrage bietet zugleich umso mehr Spielraum bei der Miete.
Die Käuferseite ist abhängig vom Transaktionsmarkt. 2022 und 23 hat dieser wegen der Zinswende stagniert, da der Kauf sich in dieser Situation für viele nicht mehr erschwinglich war oder sich nicht rechnete. Nach den schnellen Zinsschritten müssen sich die abweichenden Renditeerwartungen von Käufern und Verkäufern erst wieder annähern.
Die Nachfrage nach Mikro-Wohnen wird aber hoch bleiben. Dabei sind die Micro-Living-Konzepte mit ihren variablen Mietverträgen und Serviceleistungen zugleich eine Antwort auf die flexibleren Arbeitswelten und die immer größer werdende Bedeutung der Nachhaltigkeit. Das heißt, sie bieten auch unter diesen Aspekten eine langfristige Anlageperspektive. Hinzu kommt, dass es sich bei den Apartmenthäusern oftmals um Neubauten handelt, die nach 2014 entstanden sind. Dadurch lassen sich neue Anforderungen an Nachhaltigkeit und ESG (Environmental, Social, Goverance) in der Regel besser umsetzen als bei älteren Bestandsgebäuden.
ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance) sind Richtlinien, die Neubauten unter speziellen Aspekten bewerten. Kernpunkte sind „Umwelt, Soziales und Unternehmensführung“. Über die energetischen Qualitäten des Gebäudes hinaus fließen soziale Aspekte sowie das ethische Verhalten der Unternehmen in die Bewertung ein.
Mikro-Apartments für Singles & Paare W&N reagiert auf die hohe Nachfrage nach kleinen, bezahlbaren Wohnungen mit dem Wohnhaus GERN 36 in der Berliner City Ost (nahe Friedrichshain) und hat das Neubau-Projekt mit 42, überwiegend barrierefreien Einheiten für Mirco-Living weiterentwickelt. Die Wohnungsgrößen liegen zwischen 26 und 61 m² und sind sowohl für Kapitalanleger als auch für Selbstnutzer konzipiert. Der Baustart ist für das 1. Quartal 2024 geplant.
Renditen um 4-5 % möglich
Weder Mietenspiegel noch Mietpreisbremse greifen
Mikro-Apartments sind hochwertig gebaut
Profi-Treff in Hannover
Premiere: Real Estate Arena 2022
Vom 18. bis 19. Mai 2022 fand die erste deutsche Immobilien-Fachmesse für B- und C-Standorte in Hannover statt. Die Veranstaltung zählte 3.000 Besucher aus allen Bereichen der Immobilienwirtschaft. Projektentwickler, Banken und Investoren, Makler, Bauunternehmer, Architekten, Energieanbieter und weitere Unternehmen setzten auf branchenübergreifenden Austausch. Auch W&N war mit einem eigenen Stand vor Ort. Insgesamt 180 Aussteller präsentierten sich auf 9.000 m². Viel Beifall gab es für das breite Themenangebot der neuen Fachmesse.
Herr von Saß, wir haben sehr interessante Neukontakte auf Ihrer Messe kennengelernt. Aber es war sicher mutig, einen zusätzlichen Branchentreff neben der Expo Real anzubieten, oder??
Wir haben die Positionierung der Real Estate Arena zusammen mit dem Markt entwickelt und die Veranstaltung ganz gezielt auf die weniger beachteten Märkte der B- und C-Standorte und auf mittelständische Unternehmen fokussiert. So haben wir eine eigene, bundesweit aufgestellte Plattform geschaffen, die als einzige in dieser Form dieses so wichtige Segment abdeckt.
Es waren auch große Marktplayer dabei. Außerdem haben wir viele bekannte Gesichter von der Expo Real und aus ganz Deutschland angetroffen. Die meisten haben uns direkt an unserem Stand besucht: Investoren, Bauträger, Kommunalvertreter, Politiker ... Ich denke, weil die B- und C-Lagen heute ein besonderes Potenzial bieten.
Ja, sie unterscheiden sich oft gar nicht grundlegend von den A-Städten. Auch die B-Städte wachsen rapide. In Braunschweig etwa gibt es am Wohnungs- oder Büromarkt ähnliche Probleme wie in Berlin. Nur die Antworten müssen andere sein. Und bislang gab es dazu kein überregionales Forum, in dessen Rahmen die notwendigen Diskussionen geführt werden konnten.
Was ist für einen fruchtbaren „Mittelstandstreff“ wichtig?
Der Zeit- und Kostenfaktor – und die unkomplizierte Kontaktaufnahme zu Entscheidern vor Ort, was in diesem Rahmen sehr gut möglich war. Abgesehen davon, dass wir viel preiswerter sind als internationale Messen – Aussteller müssen sich um fast nichts kümmern. Sie benötigen keine langjährige Messeerfahrung oder spezielles Know-how. Maximal zwei Arbeitstage und das Firmenlogo reichen aus, um sich mit einem schicken Stand zu präsentieren.
Wegen Corona konnte die innovative Messe erst ein Jahr später starten als geplant. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Ja, es hätte kaum besser laufen können. Viele lobten, dass man über die Grenzen der eigenen „Blase“ hinaus neue Kontakte knüpfen konnte, mit potenziellen Auftraggebern wie mit Kooperationspartnern. Das Erfolgsrezept liegt in der außergewöhnlichen Konzeptionsarbeit, denn wir haben die Messe sehr eng mit rund 35 Unternehmen und Branchenexperten geplant. So ist es gelungen, eine exakt auf den Bedarf zugeschnittene Plattform aufzubauen, die es in ihrer Interdisziplinarität so noch nicht gegeben hat.
Herr von Saß, vielen Dank für das Gespräch. Ich erwähnte es auf der Messe bereits. Die Besucherzahl zeigt, dass hier sehr vieles richtig gemacht worden ist, gerade in der Außenkommunikation. Wir werden auch künftig mit einem W&N-Stand dabei sein und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.
[ Mai 2022 ]
Bildergalerie
Profi-Treff in München
Expo Real 23: ‚Alles bleibt anders‘
Es war eine andere Messe diesmal, ruhiger und eher nachdenklich. Doch die erwartete „Depression“ blieb aus. Stattdessen blickten die Teilnehmer nach vorn und versuchten, sich neu zu orientieren.
Etwa 40.000 Teilnehmer zeigten auf der diesjährigen Expo Real in München, dass der Gesprächsbedarf in der Branche hoch ist. Fragte man die Aussteller, wie sie die Messe wahrnehmen, hieß es oft, es gebe „gefühlt 20% weniger Besucher“ – wir hatten jedoch viele interessante Gespräche…“ Tatsächlich ist die Anzahl der Besucher gegenüber dem Vorjahr sogar geringfügig angestiegen, während es rund 1.850 Aussteller und damit rund 50 Stände weniger gab als noch 2022. Der Eindruck, dass die Messe verhaltener war, könnte also durch die vermehrten Freiflächen und Expo Real Lounges entstanden sein, aber auch durch die eher gedämpfte Atmosphäre und weniger konkretes Geschäft. Zudem war der 1. Messetag etwas geringer frequentiert als der zweite.
Durchwachsenes Bild
Die Fragen, wie es weitergeht, wo die Branche und wo man selbst genau steht, war das überspannende Thema der Messe. Niklas Jahn, Projektmanager bei Catella fasst zusammen: „Wir hatten den Eindruck, dass auf der diesjährigen Expo Real vorrangig die neue Situation der Immobilienwirtschaft sondiert wurde.“ Er schätzt, dass sich mit der veränderten Marktlage bald auch neue Opportunitäten ergeben würden. Vorerst erwartet er jedoch, dass die Stagnation anhält. Holger Römer, Sprecher der Zech Group, erklärt, die Messe gebe ein „positiveres Bild ab als vermutet“. Mehrere Aussteller betonten zudem, dass die Stimmung am Stand sehr gut gewesen sei. Mike Herberholz, Projektmanager und Leiter Technik bei Fokus Development, ist bezüglich der Messe sehr zufrieden. Sie habe den Erwartungen entsprochen, die Terminkalender seien voll gewesen und man bringe auch weiterhin Projekte an den Start: „Wenngleich die aktuelle Marktsituation schwierig ist – auf der Messe daran erkennbar, dass teilweise große Stände durch Lounges ersetzt waren – werden sich die Baupreise auch wieder normalisieren, so wie es bei etlichen Materialpreisen bereits der Fall ist. Auch die Zinsen werden sich absehbar auf einem stabilen Niveau einstellen.“
Viele Lösungen liegen in der Politik
Wie groß der Diskussionsbedarf in der Immobilienbranche ist, zeigte sich auch an den stark besuchten Konferenzen und Panels, in denen es nicht nur um ESG, Digitalisierung oder Aspekte des demographischen Wandels ging, sondern auch um Themen wie finanzierbaren Wohnungsbau oder die Aussichten am künftigen Immobilienmarkt. Bei den meisten Problemanalysen und Lösungsansätzen wurde auf den Staat verwiesen. Dieter Becken, Geschäftsführender Gesellschafter der Becken Holding GmbH, Hamburg, äußerte sich etwa auf dem Panel „Wer soll das bezahlen? Wohnimmobilien zwischen Baustopp und energieeffizienter Sanierung des Bestands“(*) mit deutlichen Worten: „Die Rahmenbedingungen für das Bauen stimmen nicht mehr, besonders der frei finanzierte Wohnungsbau kann unter den derzeitigen Auflagen und Kostensteigerungen nicht mehr wirtschaftlich vertretbar realisiert werden.“ Die Problemlösung an diesem Krisenpunkt benannte er klar: „Der Staat muss jetzt handeln und für eine gewisse Zeit die Steuerbelastung im Wohn- und Gewerbebau massiv senken. Pro Quadratmeter Wohnfläche liegt beispielsweise die Steuerbelastung bei rund 37%. Das heißt, in der Bau- und Immobilienwirtschaft muss wieder eine produktive, gesellschaftsverträgliche Wirtschaftspolitik umgesetzt werden. Sonst stehen in den nächsten zwei bis drei Jahren viele Menschen ohne Dach über dem Kopf auf der Straße, weil der Wohnraum fehlt und die Mieten unbezahlbar geworden sind.“
Positive Wendung bis Ende 2024 oder erst in 3-5 Jahren?
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wegen der großen Unsicherheit am Markt offenbar der Austausch in Einzelgesprächen und auf den Veranstaltungen besonders wichtig war. Vielerorts wurde die Politik als Hauptproblem für die unwägbare wirtschaftliche Gesamtlage adressiert. Bei der Einschätzung, wann sich der Immobilienmarkt wieder beleben könnte, gingen die Meinungen teils stark auseinander. Die einen vermuten, dass sich, wenn der Zenit der Zinserhöhung überschritten ist, der Markt im Verlauf des nächsten Jahres oder Ende 2024 erholen wird. Andere halten eine Verbesserung erst in drei bis fünf Jahren für realistisch. So erwartet Prof. Dr. oec. Hanspeter Gondring, Geschäftsführender Gesellschafter und Wissenschaftlicher Leiter der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft GmbH, dass sich die Inflation wie die Zinsentwicklung erst ab 2027 wieder normalisiert haben wird.
[ Oktober 2023 ]
„Ferienimmobilien seit jeher stabil“
... so heißt es oft, aber was steckt dahinter? Inwiefern sind Ferienimmobilien als Wertobjekte über die Zeit stabil gewesen, was passierte während der Wirtschaftskrisen oder Weltkriege? Wir haben Dr. Wolf Karge gefragt, Historiker und Experte für die Entwicklung des Tourismus an der Ostsee.
Herr Dr. Karge, wie hat es angefangen, seit wann gibt es Ferienimmobilien an der Ostsee?
Das Ferienleben ist seit der Industrialisierung ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft. An der Ostsee begann es schon um ca. 1800, hat sich aber erst ab 1880 professionalisiert. Etwa ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stiegen die Zahlen der Badegäste stark an. Das lag am wirtschaftlichen Aufschwung und der neuen Sozialgesetzgebung, die es auch den kleineren Leuten und Angestellten erlaubte, Urlaub zu nehmen. Die „Gründerjahre“ waren für viele eine Wohlstandszeit, in der ein neuer Wirtschaftszweig, die Ferienvermietung, entstand. Überall wurden jetzt die ersten Fremdenverkehrsvereine gegründet.
Dann kam der Erste Weltkrieg. Was geschah mit den Hotels, Pensionen und Zimmervermietungen?
Interessanterweise nicht viel: Das Badeleben ist nicht eingebrochen. Das lag vor allem daran, dass der Erste Weltkrieg nicht auf deutschem Boden stattfand. Das Leben in Deutschland ging einfach weiter, auch beim Tourismus. Nur direkt nach Kriegsausbruch gab es eine Zäsur. Der eigentliche Einbruch kam erst nach dem Krieg, weil schlicht kein Geld mehr da war. Die Immobilien wurden nun teils verkauft, meist aber einfach von den Privateigentümern weitergeführt. Denn auch in diesen Zeiten brauchte man die Ferienimmobilien, etwa, indem man sie in Kindererholungsheime umfunktionierte, später für Kriegsversehrte und Kranke. Viele Menschen litten unter Tuberkulose. Die meisten Ferienvermieter haben sich so über Wasser halten können, und schon um 1920 startete das Badeleben erneut.
Und während der nachfolgenden Inflation und Wirtschaftskrise?
Durch die Hyperinflation 1923 wurde einiges durcheinandergebracht. Gerade etliche jener Gastgewerbe, die eigentlich insolvent waren und hohe Hypothekenlasten hatten, konnten sich nun sanieren. Aber auch dies war nur eine vorübergehende Phase von ca. 12, teils 24 Monaten, die den Ferienbetrieb nicht lange zurückwerfen konnte. Während der Weltwirtschaftskrise ab 1929 bis etwa 1936 wirkte sich die hohe Arbeitslosigkeit zwar auf den Urlaubstourismus aus, ein schwerer Einbruch lässt sich aber nicht feststellen.
Wie kam es zur nächsten Veränderung?
Mit dem Zweiten Weltkrieg und politischen Maßnahmen. Beides führte dazu, dass das Badeleben vollständig zusammenbrach und durch Naziorganisationen wie KDF – „Kraft durch Freude“ – übernommen wurde. Vieles hat man umgenutzt wie Heiligendamm, das zur Kriegsmarineschule wurde. Andere Objekte dienten als Erholungsheime im Sinne
einer „Massen-Regenerationsmaschinerie“. Einige Ferienbetriebe bestanden weiter, wurden aber komplett von Nazi-Organisationen gebucht. Diese Betriebe sind weder pleite gegangen noch enteignet worden.
Was geschah in DDR-Zeiten?
Nach dem verlorenen Krieg sind die meisten Ferienimmobilien wieder an ihre Besitzer zurückgegeben worden. Damit blieb die private Vermietungsstruktur zunächst erhalten – bis der DDR-Staat 1953 die „Aktion Rose“ initiierte, durch die die private Hotellerie und Gastronomie entlang der Küste systematisch enteignet wurden. Unter fadenscheinigen Begründungen: etwa, weil man eine Zuckertüte zu viel im Haushaltslager gefunden hatte. Eigentümer wurden inhaftiert, einige entlassen, viele wanderten in den Westen ab. In der Zwischenzeit hatte der FDGB-Feriendienst fast alle Objekte übernommen. Trotzdem gab es weiterhin auch private Vermietungen: Man machte in der Sommersaison Platz für die Gäste und bot, so ein geflügeltes Wort dieser Zeit, „Hühnerställe mit Gardinen“.
Und nach der Wende?
Sämtliche Ferienobjekte, die durch die „Aktion Rose“ enteignet worden waren, sind zurückgegeben worden. Und seit Anfang der 90er-Jahre sind die Gästezahlen immer weiter angewachsen bis zum heutigen Boom. Insofern kann man feststellen, dass die Tourismuswirtschaft – trotz Rückschlägen – seit ihren Anfängen stetig gewachsen ist. Auch unter Corona haben viele Eigentümer die weniger lukrativen Zeiten genutzt, um ihre Ferienobjekte für die Zukunft zu modernisieren. Bereits im Sommer 2021 erzielten die Gästezahlen wieder neue Rekordwerte. Die Sehnsucht nach Erholung ist eben ungebrochen.
Dr. Wolf Karge
ist Historiker & Publizist. Er war lange Zeit Mitglied und Sprecher im Kulturbeirat des Ministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern. Heute ist er Experte für die Geschichte des Landes. Er war Lehrbeauftragter an den Universitäten Rostock und Lüneburg und Berater der Europäischen Kommission für Kulturprojekte. Er ist Ehrenvorsitzender des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern.
W&N im Gespräch...
Hotelbetrieb mit Kunst und „Perla“
Interview mit Daniel Wilden, Leiter der Ostseetraum Ferienwohnungen GmbH, zum Hotelbetrieb des neuen Westside Arthotels von W&N in Kühlungsborn.
Herr Wilden, seit Saisonbeginn 2022 gehört auch der „New Part“, der Anbau mit 6 weiteren Hotelsuiten, zum Westside Arthotel. Was ist das Besondere am Hotelkonzept?
Wir bieten unseren Gästen großzügige Ferienwohnungen zwischen 48 und 68 m² mit der Möglichkeit, bestimmte Annehmlichkeiten eines Hotels zu nutzen – etwa unser kürzlich eröffnetes Restaurant, das über den Tag eine vielfältige, leicht gehobene Küche in schönen Räumlichkeiten mit Sonnenterrasse bietet. Überall in den Häusern sind Bilder regionaler Künstler und kunstgewerbliche Gegenstände wie Schmuck oder kleine Souvenirs ausgestellt, die von Besuchern und Gästen erworben werden können. Außerdem haben wir eine eigene E-Ladestation für Pkws.
Die Ostseetraum Ferienwohnungen GbR, ein Unternehmen von W&N, betreibt das Haus. Bislang haben Sie ausschließlich Ferienhäuser und -wohnungen an der Ostsee vermietet. Wie kamen Sie zum Hotelbetrieb?
Es stimmt, wir waren bisher keine Hotelbetreiber, aber für rund 300 Ferienobjekte verantwortlich, für eigene und fremde. Für das Westside Arthotel haben wir keinen passenden Hotelbetreiber gefunden. Vor allem wollten wir, dass der Betrieb dauerhaft sehr gut läuft, und haben uns daher entschieden, es gleich selbst zu machen. „Westside Arthotels“ ist jetzt auch ein eingetragenes Branding für den Betrieb von Aparthotels durch die Ostseetraum Ferienwohnungen.
Wie hat sich der Betrieb in den letzten zwei Jahren entwickelt? Corona hat den Start sicherlich nicht leicht gemacht.
Ja, 2022 ist das erste Betriebsjahr, in dem wir endlich richtig durchstarten konnten. Seit Eröffnung unseres Haupthauses im Juni 2020 haben wir mit 205 Tagen bis Mai 2022 die beste Auslastung bislang, das ist mehr als die Hälfte unserer Jahresauslastung. Trotz Corona liefen aber auch die letzten zwei Jahre nicht ganz schlecht, wir konnten, aufs ganze Jahr gesehen, nur das Potenzial bei Weitem nicht ausschöpfen. Im Sommer 2021 hatten wir dagegen sogar eine Rekordsaison, waren von Juni bis September komplett ausgebucht.
Für das Hotelrestaurant haben Sie einen passenden Gastronom gefunden?
Ja, das ist Marcel Brunow, der das Restaurant „La Perla“ bei uns betreibt und zuvor die Gastronomie im Hotel Strandperle geleitet hat. Mit seiner langjährigen Erfahrung setzt er seit April 2022 bei uns kulinarische Akzente.
Im Juli 2021 fand die Vernissage „Ostseestreiflichter“ statt, mit Objekten und Bildern des Kunsthofs Bad Doberan. Wie hat sich das Projekt entwickelt?
Wir haben wie geplant die Ausstellung etwa alle drei Monate erneuert. Die regionale Kunst passt hervorragend in unser modernes wie traditionsreiches Hotel, und wir bekommen viele positive Reaktionen. Andenken werden gerne mitgenommen. Unser Hotel, dessen Ursprünge auf das Jahr 1907 zurückgehen, ist inzwischen zu einem lebendigen Treffpunkt für Ostsee- und Kunstliebhaber geworden. Gleichzeitig freuen wir uns, den regionalen Künstlern, die ebenfalls unter der Pandemie gelitten haben, helfen zu können.
Westside Arthotel
Im Jahr 2019 erwarb W&N das stark sanierungsbedürftige Traditionshotel Nordwind gemeinsam mit dem Investor E. Hackel Baubetreuung aus Hamburg. Das Haus mit 100-jähriger Geschichte musste komplett erneuert werden. Zugleich erhielt es ein zeitgemäßes Konzept und einen neuen Namen: Westside Arthotel. Bereits im Sommer 2020 startete W&N mit Hotelbetrieb und Vermietung. Als klassisches Aparthotel bietet das Haus voll ausgestattete Ferienwohnungen, eine Rezeption und Verpflegung nach Bedarf im Hotelrestaurant. Hinzu kommt eine hauseigene Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe.
Zahlen & Fakten
Hotel-Apartments | 23 |
Häuser (Alt- und Neubau) | 2 |
Kunstobjekte | ca. 240 |
Kunst & Kulinarisches im „La Perla“
Marcel Brunow, Betreiber des Restaurants „La Perla“ im Westside Arthotel in Kühlungsborn, im Interview.
Sie führen das Hotelrestaurant „La Perla“ im Westside Arthotel. Was bieten Sie Ihren Gästen?
Wir bieten vom Frühstück bis zum Dinner alles, was lecker ist und zur Tages- und Jahreszeit passt. Wichtig ist uns eine abwechslungsreiche Küche. Unsere Gäste können deutsch-mediterrane Speisen genießen. Ob Hausgast oder Besucher, jeder ist bei uns herzlich willkommen.
Und die Kunstausstellung?
Wir verbinden in unserem Restaurant Kunst und Kulinarisches. Dafür haben wir unsere Räumlichkeiten extra entsprechend einrichten lassen, und es gibt einen Show-Screen, auf dem wir weitere Einzelstücke einblenden, sodass wir mehr zeigen können, als die vier Wände hergeben. Ich denke, so haben wir ein wirklich besonderes Ambiente geschaffen, in dem man sich wohlfühlt und das dazu beiträgt, gemeinsam mit dem Westside Arthotel die Künstler vor Ort zu unterstützen.
Wie ist der Betrieb des Restaurants inzwischen angelaufen?
Sehr gut. Am 19. April 2022 hatten wir das Restaurant zunächst mit Frühstück à la carte eröffnet und bieten nun seit Mai auch den kompletten Mittags-, Nachmittags- und Abendbetrieb.
Immobilienmarkt: Welche Chancen bieten sich und wie könnte es weitergehen?
Der Immobilienmarkt hat sich spätestens seit der Zinswende 2022 verändert. Was sind die aktuellen Herausforderungen, welche Chancen bieten sich und wie könnte es weitergehen? Wir brauchen mehr Wohnraum. So sieht es auch die Politik, doch zugleich erschwert sie das Kaufen, Mieten und Bauen. von Knud Wilden, Geschäftsführer W&N
Zunehmend hängt die wirtschaftliche Entwicklung vom politischen Einwirken in den Markt ab: über die weitere Verschärfung des Gebäudeenergiegesetztes (GEG) seit 01.01.2024 mit neuen Regelungen zum Einbau von Heizungen in Neubau und Bestand. Danach muss zum Beispiel jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden.
Auch der Zinsanstieg seit 2022 bremst die Dynamik, und EU-Vorgaben wie die Agenda „Fit for 55“ wirken sich eher negativ aus. So war gemäß „EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (EPBD – Energy Performance of Buildings Directiv) eine Sanierungspflicht für Wohnbauten der Effizienzklassen G und H, oft aus den 50er- bis 70er-Jahre, geplant. Letzteres hat die EU zwar mit einer Novellierung im März 2024 modifiziert. Danach sollen Sanierungsvorgaben nur für Nichtwohngebäude gelten. Allerdings ist bei Wohnbauten bis 2030 der durchschnittliche Primärenergieverbrauch um mindestens 16 Prozent zu reduzieren, bis 2035 um mindestens 20 bis 22 Prozent. Bis 2030 sollen Wohngebäude zudem mindestens die Energieeffizienzklasse "E" und bis 2033 "D" aufweisen. Darüber hinaus sind ab 2030 alle Neubauten emissionsfrei zu errichten, das heißt, es dürfen dann keine Emissionen aus fossilen Energieträgern mehr entstehen. Somit wird sich aus verschiedenen Gründen die Wohnungskrise wohl weiter zuspitzten.
Bau & Bürokratie
Die von der Politik angestrebten 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr werden künftig nicht gebaut werden können. Das zeigt sich auch am Rückgang der Baugenehmigungen. Nach bereits rückläufigen Zahlen im Jahr 2022 zeigte sich gemäß Statistischem Bundesamt (Destatis) im ersten Halbjahr 2023 ein Minus von 50.600 Baugenehmigungen, -27,2 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Laut ifo-Institut (Juni 2023) wurden für das Jahr 2023 ca. 245.000 Neubauwohnungen erwartet, im Jahr 2024 sollen es etwa 210.000 werden.
Hauptproblem sind hier weniger die hohen Material- und Grundstückspreise als die anwachsenden Bauvorschriften. Ein Bauantrag sollte beispielsweise innerhalb von drei Monaten vergeben sein, doch wartet man als Bauherr meist neun Monate darauf, in Großstädten wie Berlin auch länger. Kleinere Gemeinden verzögern die Genehmigungen mit vielerlei Nachweisforderungen, wenn für den geplanten Zuzug keine Infrastruktur wie Schulen, Kitas, Arztpraxen etc. vorhanden ist.
Chancen von Alt- und Neubau
Doch auch in herausfordernden Zeiten bieten sich Chancen. Sie ergaben sich bereits 2022 nach der Zinswende bei den älteren Gebäuden, deren Kaufpreise innerhalb eines Jahres um bis zu 6,8 % fielen (Destatis).
Anders beim Neubau. Hier sind die Preise mit den Baukosten weiter angestiegen – laut Destatis im Mai 2023 gegenüber Mai 2022 um 8,8 %. In diesem Zeitraum erhöhten sich die Preise für Rohbauarbeiten bei Wohngebäuden um 5,4 %, bei den Ausbauarbeiten um 11,7 % und bei technischen Gebäudeausrüstungen, also Heizanlagen und zentralen Wassererwärmungsanlagen, um 14,9 %. Auch angesichts sensibler Lieferketten und Personalmangel wird der Neubau nicht günstiger, bietet dafür aber langfristige Investitionschancen durch eine sehr hohe Bauqualität und eine kosteneffiziente Energieversorgung.
Energetische Anforderungen können von Anfang an integriert und ökonomisch umgesetzt werden. Will man möglichst sicher investieren, lohnt der Neubau mehr denn je. Ein 40- oder 50-jähriger Altbau dagegen bleibt, selbst wenn er saniert ist, in seiner Substanz ein Altbau.
Investitionen fördern
Einzelmaßnahmen sind wenig zielführend, wenn es darum geht, das Investitionsverhalten zu verändern. Weder das neue Heizungsgesetz noch die Besteuerung bestimmter Produkte und Materialien oder die gezielte Subvention sind hier langfristig erfolgreich. Es müssten vielmehr Anreize gesetzt werden, die zusammenwirken, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Ein solches Gesamtkonzept sehen wir aber derzeit nicht, weder bei der CO2-Bilanz noch im Wohnungsbau.
Ziel muss es sein, anstelle von Maßnahmen Investitionen zu fördern. Denn nur die Investition bringt Gewinne in das System zurück. Dass dies auch bei der politischen Wohnungsbauförderung wirksam sein kann, haben die 70er Jahre bewiesen. Damals konnten Bauwillige ihre Investition degressiv abschreiben, und im sozialen Wohnungsbau erhielten Bauträger große Zuschüsse, wenn sie dem Staat im Gegenzug die Wohnungen für mindestens 12 Jahre überließen.
Darüber hinaus müssten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anders definiert und die Vorgaben allgemeiner formuliert werden, damit flexibler und lösungsorientierter gearbeitet werden kann. Verbote etwa für Produkte braucht es damit nicht. Gas und Öl etwa haben beim Heizen ohnehin auf Dauer keine Zukunft, während sich Solar-, Wind- und Geotechnologien kombiniert in weiten Teilen schon effektiv einsetzen lassen.
Zinsberuhigung seit dem 12. Juni 2024
Nach den niedrig gehaltenen Zinsen der letzten zehn Jahre, die – einmalig in der Geschichte – zu Negativzinsen führten, hat die EZB, um die Inflation einzugrenzen, den Leitzins 2022 wieder angehoben. Daraus folgte, dass die Immobilienfinanzierung auf über 4,5 % anstieg und für viele kaum mehr erschwinglich war. Hinzu kam, dass sich die Käufer auf die schnellen Zinsschritte mit 400 Basispunkten innerhalb von 18 Monaten nicht einstellen konnten. Gemäß geldpolitischem Beschluss vom 6. Juni 2024 beschloss die Europäische Zentralbank, den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 % zu senken. Seit dem 12. Juni 2024 gilt nun dieser Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft im Euroraum.
Fazit
Der Staat sollte weniger reglementieren und die Ziele pragmatisch angehen. Statt vieler teurer Maßnahmen braucht es zuallererst marktfreundliche Rahmenbedingungen, damit sich das Investieren in Wohnen wieder lohnt, das heißt weniger Vorschriften und Bürokratie oder allgemeiner formulierte Vorgaben.
Als Zweites müsste die Politik wieder mehr auf die Fachleute und die mittelständische Wirtschaft hören, die das technische und ökonomische Know-how mitbringen, um die richtigen Maßnahmen im Wohnungsbau umzusetzen.
Drittens müsste wieder anerkannt werden, dass eine die Gesellschaft tragende Wirtschaft nur durch gewinnbringende Investitionen entsteht – oder man macht eine „Spaßveranstaltung“ ohne Gewinnabsicht daraus, die nichts Substanzielles hervorbringt und dauerhaft keinen Bestand hat. Auch wird der Mangel an Wohnraum nicht dadurch behoben, dass man diejenigen, die das Problem lösen könnten und wollen, wie die privaten Immobilieninvestoren oder Vermieter, aus politischem Kalkül als „Nutznießer“ der Wohnungsnot anprangert.
[ Nov. 2023 / aktualisiert Juni 2024 ]
Knud Wilden
Geschäftsführer W&N am Hauptsitz Dachau bei München und Warnemünde. Spezialisiert auf Wohn- und Ferienimmobilien, baute er das Geschäftsfeld an der Ostsee auf und beteiligt sich heute an der erfolgreichen Entwicklung ganzer Tourismus-Standorte.
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Finanzierungstipp
––––– „Der Erwerb einer Immobilie ist weiterhin attraktiv. Bei der aktuell volatilen Zinssituation ist jedoch die Expertise eines unabhängigen Finanzierungsberaters unerlässlich, da er Angebote und Modelle zahlreicher Banken kennt und die individuell besten ermittelt.
Bewährt sind flexible Tilgungsraten mit Wechseloption während der Zinsbindung. Der Tilgungssatz, der zwischen 1 und 10 % liegen kann, wird bedarfsgerecht, oft zwischen 1,5 und 2 %, angepasst. Auch eine gleichbleibende Monatsrate ist justierbar.
Zu beachten ist, dass sich bei einer Änderung die Gesamtlaufzeit verkürzt oder verlängert. Die langfristige Zinsbindung kann z. B. über Bausparen abgesichert werden.“ –––––