Im Gespräch...
Immobilienfinanzierung in Zeiten des Zinsanstiegs
Hans-Joachim Hohlweg (W&N) diskutiert die Lage mit dem Finanzexperten Andreas Kaatz, Bankshop Deutschland.
Hans-Joachim Hohlweg Herr Kaatz, im 1. Quartal 2022 haben sich die Bauzinsen erhöht und die Anhebung des Leitzinses vorweggenommen. Lagen sie zuvor bei 0,5 bis 1,5 %, erhöhten sie sich zunächst auf 2,3 bis 3 %. Einen solchen Anstieg hat es lange nicht gegeben und auch nicht in so kurzer Zeit.
Andreas Kaatz Richtig, allerdings ist ein solcher Zinssatz für eine Baufinanzierung immer noch gering, bereits 2005 lag er bei ca. 3,5 bis 4 %, 1980 bei 9,5 % und in den 90er-Jahren bei um die 7 %. Insofern ist all das nichts Ungewöhnliches.
HJH Sicher, aber angewandt auf eine Kreditlaufzeit von 10 Jahren kann das durchaus einen Unterschied von mehreren Tausend Euro ergeben.
AK Natürlich ist die Situation heute eine andere: Die Kaufpreise sind hoch und wir haben eine starke Inflation. Deshalb sollte man gut überlegen, wie man bei neuen oder laufenden Finanzierungen vorgeht.
HJH Einige unserer Kunden haben mit Forward-Krediten gearbeitet. Dazu haben sie den Vertragsabschluss für die Anschlussfinanzierung vorgezogen – zu den aktuell geltenden, immer noch sehr günstigen Zinssätzen.
AK Das ist eine gute Strategie. Man kann aber auch die Monatsrate insgesamt herabsetzen und die Laufzeit verlängern. Oder man senkt die Tilgungsrate und passt den Zinsanteil an. Das ist allerdings eher eine Übergangslösung, ebenso wie das Aussetzen der Zahlungsrate. Wichtig ist generell bei den Kreditverträgen, Sondertilgungen nutzen zu können oder den Tilgungssatz zu wechseln. Einige haben im ersten Halbjahr 2022 bei den Anschlussfinanzierungen auf kürzere Tilgungszeiten von fünf Jahren zugunsten niedrigerer Zinsen gesetzt. Das lohnt sich aber kaum und ist für die meisten keine gute Lösung. Besser ist bei perspektivischen Investitionen stets, einen festverzinsten Langzeitkredit zu wählen – auch wenn dieser deutlich teurer ist.
HJH Ja, das ist sicherer. Eine weitere Finanzierungshilfe bietet der klassische Bausparvertrag. Das ist vor allem bei Neufinanzierungen interessant.
AK Richtig, seit die Niedrigzinsphase sich dem Ende zuneigt, wird er wieder attraktiv, besonders als Bauspar-Sofortfinanzierung. Dabei kombiniert der Anbieter zwei Finanzierungsformen: Darlehens- und Bausparvertrag.
HJH Man hat damit zwar zwei Verträge gleichzeitig zu beachten, aber der große Vorteil ist, dass über den Bausparvertrag eine kostengünstige Finanzierung möglich ist und vor allem von Anfang an der Zinssatz für die Resttilgung festgesetzt werden kann. Ist die Mindestdauer nach 10–15 Jahren abgelaufen – je nach Vereinbarung sind dann 30 bis 50 % angespart – wird das Darlehen mit dieser Summe weiter getilgt. Dadurch sinkt auch die Zinsrate.
AK Ja, und die Anschlussfinanzierung läuft gemäß dem anfangs vereinbarten Zinssatz.
HJH Um so etwas realistisch zu kalkulieren, sollte man den Finanzierer vor allem nach dem Gesamt-Effektivzins fragen, weil hier alle Kosten berücksichtigt sind – wie Abschlusskosten des Vertrags oder Effekte der Zins- und Tilgungsverrechnung.
AK Fazit ist, dass es viele Wege gibt, mit der aktuellen, sehr dynamischen wirtschaftlichen Lage umzugehen. Und wie es aussieht, werden Nachfrage und Preise bei Wohnimmobilien in den nächsten Jahren, speziell beim Neubau, nicht maßgeblich sinken.
HJH Vor allem braucht es beim Immobilienkauf eine fachgerechte Analyse der individuellen Möglichkeiten und Ziele. Denn auch, wenn in letzter Zeit sehr viel Unvorhersehbares passiert ist, können Immobilien immer ein guter Inflationsschutz sein.
Ein Indikator, ob die Zinsen für Baukredite sinken oder steigen, sind die Zinsbewegungen der Pfandbriefe, mit denen die Banken Immobilienkredite refinanzieren.
Kündigt sich an, dass der Leitzins erhöht wird, steigen auch die Zinsen für Pfandbriefe, die sich ihrerseits an den gestiegenen Renditeanforderungen der Anleihe-Investoren orientieren.
So hatte die Europäische Zentralbank (EZB) frühzeitig angezeigt, dass sie ihre Anleihen-Kaufprogramme stoppen und nur noch Gelder aus fällig werdenden Anleihen investieren würde. Im Juli 2022 hob sie den Leitzins an und leitete damit eine langfristigere „Zinswende“ ein, die ein Umdenken bei den Investments erfordert.
Tipps & Optionen
1 | Tilgungsrate senken zugunsten des Zinsanteils: eher Übergangsinstrument |
2 | Monatsrate senken oder anfängliche Tilgung herabsetzen |
3 | Monatsrate aussetzen (vorübergehend) |
4 | Tilgungssatz wechseln und Sondertilgungen nutzen |
5 | Forward-Kredit: frühzeitig günstige Konditionen sichern |
6 | Bauspar-Sofortvertrag mit Darlehen abschließen |
7 | 20–30 Jahre festverzinste Laufzeit |
8 | Umfassend von Finanzierungsexperten beraten lassen |
9 | Gesamt-Effektivzins der Anbieter erfragen |
Hans-Joachim Hohlweg

Ehem. Leiter Vertrieb Ostsee
Andreas Kaatz

Finanzexperte, Bankshop Deutschland