Immobilienmarkt: Welche Chancen bieten sich und wie könnte es weitergehen?
Der Immobilienmarkt hat sich spätestens seit der Zinswende 2022 verändert. Was sind die aktuellen Herausforderungen, welche Chancen bieten sich und wie könnte es weitergehen? Wir brauchen mehr Wohnraum. So sieht es auch die Politik, doch zugleich erschwert sie das Kaufen, Mieten und Bauen. von Knud Wilden, Geschäftsführer W&N
Zunehmend hängt die wirtschaftliche Entwicklung vom politischen Einwirken in den Markt ab: über die weitere Verschärfung des Gebäudeenergiegesetztes (GEG) seit 01.01.2024 mit neuen Regelungen zum Einbau von Heizungen in Neubau und Bestand. Danach muss zum Beispiel jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden.
Auch der Zinsanstieg seit 2022 bremst die Dynamik, und EU-Vorgaben wie die Agenda „Fit for 55“ wirken sich eher negativ aus. So war gemäß „EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (EPBD – Energy Performance of Buildings Directiv) eine Sanierungspflicht für Wohnbauten der Effizienzklassen G und H, oft aus den 50er- bis 70er-Jahre, geplant. Letzteres hat die EU zwar mit einer Novellierung im März 2024 modifiziert. Danach sollen Sanierungsvorgaben nur für Nichtwohngebäude gelten. Allerdings ist bei Wohnbauten bis 2030 der durchschnittliche Primärenergieverbrauch um mindestens 16 Prozent zu reduzieren, bis 2035 um mindestens 20 bis 22 Prozent. Bis 2030 sollen Wohngebäude zudem mindestens die Energieeffizienzklasse "E" und bis 2033 "D" aufweisen. Darüber hinaus sind ab 2030 alle Neubauten emissionsfrei zu errichten, das heißt, es dürfen dann keine Emissionen aus fossilen Energieträgern mehr entstehen. Somit wird sich aus verschiedenen Gründen die Wohnungskrise wohl weiter zuspitzten.
Bau & Bürokratie
Die von der Politik angestrebten 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr werden künftig nicht gebaut werden können. Das zeigt sich auch am Rückgang der Baugenehmigungen. Nach bereits rückläufigen Zahlen im Jahr 2022 zeigte sich gemäß Statistischem Bundesamt (Destatis) im ersten Halbjahr 2023 ein Minus von 50.600 Baugenehmigungen, -27,2 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Laut ifo-Institut (Juni 2023) wurden für das Jahr 2023 ca. 245.000 Neubauwohnungen erwartet, im Jahr 2024 sollen es etwa 210.000 werden.
Hauptproblem sind hier weniger die hohen Material- und Grundstückspreise als die anwachsenden Bauvorschriften. Ein Bauantrag sollte beispielsweise innerhalb von drei Monaten vergeben sein, doch wartet man als Bauherr meist neun Monate darauf, in Großstädten wie Berlin auch länger. Kleinere Gemeinden verzögern die Genehmigungen mit vielerlei Nachweisforderungen, wenn für den geplanten Zuzug keine Infrastruktur wie Schulen, Kitas, Arztpraxen etc. vorhanden ist.
Chancen von Alt- und Neubau
Doch auch in herausfordernden Zeiten bieten sich Chancen. Sie ergaben sich bereits 2022 nach der Zinswende bei den älteren Gebäuden, deren Kaufpreise innerhalb eines Jahres um bis zu 6,8 % fielen (Destatis).
Anders beim Neubau. Hier sind die Preise mit den Baukosten weiter angestiegen – laut Destatis im Mai 2023 gegenüber Mai 2022 um 8,8 %. In diesem Zeitraum erhöhten sich die Preise für Rohbauarbeiten bei Wohngebäuden um 5,4 %, bei den Ausbauarbeiten um 11,7 % und bei technischen Gebäudeausrüstungen, also Heizanlagen und zentralen Wassererwärmungsanlagen, um 14,9 %. Auch angesichts sensibler Lieferketten und Personalmangel wird der Neubau nicht günstiger, bietet dafür aber langfristige Investitionschancen durch eine sehr hohe Bauqualität und eine kosteneffiziente Energieversorgung.
Energetische Anforderungen können von Anfang an integriert und ökonomisch umgesetzt werden. Will man möglichst sicher investieren, lohnt der Neubau mehr denn je. Ein 40- oder 50-jähriger Altbau dagegen bleibt, selbst wenn er saniert ist, in seiner Substanz ein Altbau.
Investitionen fördern
Einzelmaßnahmen sind wenig zielführend, wenn es darum geht, das Investitionsverhalten zu verändern. Weder das neue Heizungsgesetz noch die Besteuerung bestimmter Produkte und Materialien oder die gezielte Subvention sind hier langfristig erfolgreich. Es müssten vielmehr Anreize gesetzt werden, die zusammenwirken, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Ein solches Gesamtkonzept sehen wir aber derzeit nicht, weder bei der CO2-Bilanz noch im Wohnungsbau.
Ziel muss es sein, anstelle von Maßnahmen Investitionen zu fördern. Denn nur die Investition bringt Gewinne in das System zurück. Dass dies auch bei der politischen Wohnungsbauförderung wirksam sein kann, haben die 70er Jahre bewiesen. Damals konnten Bauwillige ihre Investition degressiv abschreiben, und im sozialen Wohnungsbau erhielten Bauträger große Zuschüsse, wenn sie dem Staat im Gegenzug die Wohnungen für mindestens 12 Jahre überließen.
Darüber hinaus müssten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anders definiert und die Vorgaben allgemeiner formuliert werden, damit flexibler und lösungsorientierter gearbeitet werden kann. Verbote etwa für Produkte braucht es damit nicht. Gas und Öl etwa haben beim Heizen ohnehin auf Dauer keine Zukunft, während sich Solar-, Wind- und Geotechnologien kombiniert in weiten Teilen schon effektiv einsetzen lassen.
Zinsberuhigung seit dem 12. Juni 2024
Nach den niedrig gehaltenen Zinsen der letzten zehn Jahre, die – einmalig in der Geschichte – zu Negativzinsen führten, hat die EZB, um die Inflation einzugrenzen, den Leitzins 2022 wieder angehoben. Daraus folgte, dass die Immobilienfinanzierung auf über 4,5 % anstieg und für viele kaum mehr erschwinglich war. Hinzu kam, dass sich die Käufer auf die schnellen Zinsschritte mit 400 Basispunkten innerhalb von 18 Monaten nicht einstellen konnten. Gemäß geldpolitischem Beschluss vom 6. Juni 2024 beschloss die Europäische Zentralbank, den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 % zu senken. Seit dem 12. Juni 2024 gilt nun dieser Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft im Euroraum.
Fazit
Der Staat sollte weniger reglementieren und die Ziele pragmatisch angehen. Statt vieler teurer Maßnahmen braucht es zuallererst marktfreundliche Rahmenbedingungen, damit sich das Investieren in Wohnen wieder lohnt, das heißt weniger Vorschriften und Bürokratie oder allgemeiner formulierte Vorgaben.
Als Zweites müsste die Politik wieder mehr auf die Fachleute und die mittelständische Wirtschaft hören, die das technische und ökonomische Know-how mitbringen, um die richtigen Maßnahmen im Wohnungsbau umzusetzen.
Drittens müsste wieder anerkannt werden, dass eine die Gesellschaft tragende Wirtschaft nur durch gewinnbringende Investitionen entsteht – oder man macht eine „Spaßveranstaltung“ ohne Gewinnabsicht daraus, die nichts Substanzielles hervorbringt und dauerhaft keinen Bestand hat. Auch wird der Mangel an Wohnraum nicht dadurch behoben, dass man diejenigen, die das Problem lösen könnten und wollen, wie die privaten Immobilieninvestoren oder Vermieter, aus politischem Kalkül als „Nutznießer“ der Wohnungsnot anprangert.
[ Nov. 2023 / aktualisiert Juni 2024 ]
Knud Wilden

Geschäftsführer W&N am Hauptsitz Dachau bei München und Warnemünde. Spezialisiert auf Wohn- und Ferienimmobilien, baute er das Geschäftsfeld an der Ostsee auf und beteiligt sich heute an der erfolgreichen Entwicklung ganzer Tourismus-Standorte.
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Finanzierungstipp

Petra Lindo, Filialleiterin © Hüttig & Rompf AG, Berlin (Finanzierungsberatung)
––––– „Der Erwerb einer Immobilie ist weiterhin attraktiv. Bei der aktuell volatilen Zinssituation ist jedoch die Expertise eines unabhängigen Finanzierungsberaters unerlässlich, da er Angebote und Modelle zahlreicher Banken kennt und die individuell besten ermittelt.
Bewährt sind flexible Tilgungsraten mit Wechseloption während der Zinsbindung. Der Tilgungssatz, der zwischen 1 und 10 % liegen kann, wird bedarfsgerecht, oft zwischen 1,5 und 2 %, angepasst. Auch eine gleichbleibende Monatsrate ist justierbar.
Zu beachten ist, dass sich bei einer Änderung die Gesamtlaufzeit verkürzt oder verlängert. Die langfristige Zinsbindung kann z. B. über Bausparen abgesichert werden.“ –––––